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Kann von der Gemeinde die Stilllegung einer über das eigene Grundstück zum Nachbargrundstück führenden Wasserleitung verlangt werden?

Es kam in der Vergangenheit bevorzugt in ländlichen Gebieten häufiger vor, dass Leitungen zur Versorgung von Hinterliegergrundstücken mit Wasser "kreativ" verlegt wurden. Dies geschah vielfach in Eigenregie und ohne rechtliche Absicherung des Leitungsverlaufs im Grundbuch.

Im Laufe der Zeit stellt sich dann erfahrungsgemäß heraus, dass der seinerzeit gewählte Leistungsverlauf Nachteile für die Nutzung des belasteten Vordergrundstücks mit sich bringt und es stellt sich dann die Frage nach der Möglichkeit der Verlegung oder sogar nach der Stilllegung solcher Leitungen.

Ein solche Konstellation lag einer vom VGH München am 02.09.2021 (Az. 4 ZB 21.1199) gefällten Entscheidung zugrunde:

In den 1950er Jahren wurde auf einem (Vorderlieger-) Grundstück eine private Wasserleitung verlegt und an das öffentliche Leistungsnetz angeschlossen. Diese Wasserleitung diente sowohl der Versorgung des Vorderliegergrundstücks als auch des benachbarten Hinterliegergrundstücks. Eine dingliche Absicherung im Grundbuch erfolgte nicht. Zwischenzeitlich dient diese Leitung nur noch der Versorgung des Hinterliegergrundstücks. Das vordere Grundstück wurde im Jahr 1994 anderweitig an das öffentliche Leistungsnetz angeschlossen. Da die "alte" Leitung teilweise unter der Garage des vorderen Grundstücks verlegt war, forderte der Grundstückseigentümer die Gemeinde auf, die Leitung zu verlegen, wo diese weniger störe. Nachdem die Gemeinde hierauf nicht reagierte, wurde von der Gemeinde die Stilllegung der Wasserleitung verlangt.

In dem sich anschließenden Gerichtsverfahren entschied der VGH München, dass der Grundstückseigentümer zu Recht die Stilllegung der Wasserleitung auf seinem Grundstück verlangt hat.

Begründet wurde dies damit, dass jeder Grundstückseigentümer aufgrund seiner Stellung als Eigentümer des Grundstücks andere von jeder Einwirkung auf sein Grundstück ausschließen kann (§ 903 BGB). Die Wasserdurchleitung ist eine solche Einwirkung.

Die Durchleitung wäre nur dann zulässig, wenn eine Pflicht des Grundstückseigentümers zur Duldung der Durchleitung bestünde. Eine solche Pflicht hat das Gericht im vorliegenden Fall für das Bayerische Landesrecht aber verneint.

Entscheidend hierbei war, dass es sich vorliegend um eine dinglich nicht abgesicherte Privatleitung handelte und damit die gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorschriften der Gemeinde nicht anwendbar waren. Es standen zudem weniger "störende" Alternativen des Leitungsverlaufs zur Verfügung, so dass das Aufrechterhalten des Leitungsverlaufes damit auch unter dem Gesichtspunkt eines Notleitungsrechts - welches im Übrigen auch der Gemeinde gar nicht zustünde, sondern nur dem Nachbarn - nicht erforderlich ist. Da die Gemeinde eine Verlegung der Leitung abgelehnt hatte, ist sie nunmehr gezwungen, die bestehende Leitung stillzulegen.

(eingestellt am 21.09.2021)

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