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Von Nachbarwand auf das eigene Gebäude fallender Schnee

Im Winter treten im Nachbarschaftsverhältnis immer wieder einmal rechtliche Probleme im Zusammenhang mit Schnee auf. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Urteil vom 23. März 2023 (Aktenzeichen: V ZR 97/21) die Frage behandelt, wie das Abprallen von Schnee an einer baurechtlich genehmigten Grenzwand zu bewerten ist

Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 22.02.2019, Az. V ZR 136/18, entschieden, dass die von einzelnen Gerichten vertretene Ansicht unrichtig ist, wonach der Anspruch auf Beseitigung überhängender Äste als sogenannte Dauerhandlung unverjährbar sein soll. Zuletzt hatte diese Ansicht noch das LG Krefeld in seinem Urteil vom 20.04.2018, Az. 1 S 68/17, vertreten.

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war Eigentümer eines Grundstücks, welches an der Grenze zum Nachbargrundstück mit einem eingeschossigen Gebäude bebaut war. Der Nachbar errichtet - direkt an der Grenze auf seinem Grundstück unmittelbar neben dem Bestandsgebäude des Klägers ein mit einem Flachdach versehenes Zweifamilienhaus, welches das Gebäude des Klägers um mehr als 0,5 m überragte.Dieser Neubau wurde auch baurechtlich so genehmigt.
Da im Winter damit zu rechnen ist, dass Schnee von der Grenzwand des Neubaus abprallt und auf das Bestandsdach des Klägers fällt, kommt es dort zu einer erhöhten statischen Traglast. Nach den maßgeblichen DIN-Normen muss der Kläger deshalb das Bestandsgebäude durch den Einbau einer zusätzlich tragenden Ebene in die Decke ertüchtigen.
Der Kläger wollte nunmehr die Kosten dieser statischen Ertüchtigung vom Nachbarn ersetzt erhalten.

Der BGH hat den geltend gemachten Ersatzanspruch abgelehnt. Zwar stelle das Abprallen von Schnee an einer Grenzwand eine positive Einwirkung auf das Nachbargrundstück dar, ähnlich wie eine Lichtreflexion von einer Grenzbebauung. Dennoch beeinträchtigt es in der Regel das Nachbargrundstück nur unwesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch).

Bei der Unterscheidung, ob eine Beeinträchtigung wesentlich oder unwesentlich ist, müsse auch Berücksichtigung finden, dass der Nachbar sein Grundstück in baurechtlich zulässiger Weise nutzt. Zwar ergeht die öffentlich-rechtliche Baugenehmigung grundsätzlich unbeschadet privater Rechter Dritter. Wurde das Nachbargebäude baurechtlich genehmigt, hält sich die Nutzung des Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und ist damit sozialadäquat.

Bei einer solchen Nutzung muss deshalb regelmäßig von einer Unwesentlichkeit der Beeinträchtigung ausgegangen werden, da anderenfalls eine überobligatorische Pflicht statuiert würde, von der Errichtung des Hauses im Interesse der Klägers abzusehen. Damit würde über das Zivilrecht ein Abwehrrecht gegen eine öffentlich-rechtlich zulässige Grenzbebauung eingeführt und eine Grenzbebauung wäre faktisch weitgehend ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund dürfe deshalb die Schwelle der Wesentlichkeit nicht zu niedrig angesetzt werden.

Fehlt es an der Wesentlichkei der Beeinträchtigung scheiden naturgemäß auch Ersatzansprüche aus. Der Kläger muss deshalb die statische Ertüchtigung seines Gebäudes auf eigene Kosten vornehmen. Er ist allein für die Einhaltung der statischen Anforderungen seines Gebäudes verantwortlich.

(eingestellt am 21.02.2024)

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