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Fehlende Nachbarbeteiligung führt nicht zwangsläufig zur Aufhebung der Baugenehmigung

In den Bauordnungen der einzelnen Länder ist vorgesehen, dass im Rahmen der Genehmigung eines Bauvorhabens die Eigentümer der benachbarten Grundstücke am Verfahren zu beteiligen sind.

Pflicht des Bauherrn zur Vorlage der Bauunterlagen an die Nachbarn

Dementsprechend ist zum Beispiel in Bayern nach Art. 66 Abs. 1 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) vorgeschrieben, dass der Bauherr den Eigentümern der benachbarten Grundstücke den Lageplan und die Bauzeichnungen zur Zustimmung vorzulegen hat.

Stimmt der Nachbar zu, so hat der Bauherrn dies im Bauantrag an die Baugenehmigungsbehörde zu vermerken.

Stimmt der Nachbar nicht zu oder wird seinen Einwendungen nicht entsprochen, so ist diesem eine Ausfertigung der Baugenehmigung zuzustellen. Der Nachbar wird dadurch in die Lage versetzt, fristgerecht Rechtsmittel gegen die Baugenehmigung einzulegen und die Zulässigkeit der Baugenehmigung verbindlich abklären zu lassen.

Welche Rechtsfolgen hat es aber für eine erteilte Baugenehmigung, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der Bauherr wahrheitswidrig der Baugenehmigungsbehörde die Zustimmung des Nachbarn mitgeteilt oder die Zustimmung des Nachbarn erst gar nicht eingeholt hatte?

In diesen Fällen leidet das Baugenehmigungsverfahren an einem Verfahrensmangel. Die Vorlagepflicht der Pläne an den Nachbarn ist zwingend. Der Bauherr muss verfahrensrechtlich den Lageplan und die Bauzeichnungen derart zugänglich machen, dass die Nachbarn ausreichend Gelegenheit haben, die Bauvorlagen einzusehen und zu prüfen.

Aus der Verletzung dieses Verfahrens folgt aber kein Anspruch des Nachbarn auf Aufhebung der Baugenehmigung. Art. 66 BayBO hat im Wesentlichen nur formellen Inhalt. Will der Nachbar eine Baugenehmigung erfolgreich anfechten, kann er dies nur, wenn er neben dem Verfahrenmangel gleichzeitig auch geltend machen kann, in eigenen materiellen Rechten (z.B. Verletzung bauplanungsrechtlicher Vorgaben, Verletzung des Rücksichtnahmegebots, Verletzung der Abstandsflächenvorschriften, etc.) verletzt zu sein (VG München, Beschluss vom 12.01.2023 - M 11 SN 22.5445).

Verletzt also die Baugenehmigung nicht zugleich materielle Rechte des Nachbarn, dann wird der Nachbar die Baugenehmigung nicht erfolgreich anfechten können, selbst wenn überhaupt keine Nachbarbeteiligung stattgefunden haben sollte.

Der Bauherr begeht allerdings eine Ordnungswidrigkeit. Wer vorsätzlich oder fahrlässig unrichtige Angaben macht oder unrichtige Pläne oder Unterlagen vorlegt, um eine Baugenehmigung zu erwirken, kann mit einer Geldbuße bis zu 500.000 EUR (!) belegt werden (Art 79 Abs. 2 BayBO).

(eingestellt am 24.01.2023) Die Veröffentlichung bezieht sich auf die Rechtslage zum jeweils angegebenen Veröffentlichungsdatum und ersetzt keine Rechtsberatung.

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