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Nachbarschutz im Baugenehmigungsverfahren: Rücksichtnahmegebot

Nachbarn können gegen eine dem angrenzenden Eigentümer erteilte Baugenehmigung regelmäßig nur dann erfolgreich vorgehen, wenn durch die Baugenehmigung Rechte beeinträchtigt werden, die (auch) dem Schutz des Nachbarn dienen. Nicht jede baurechtliche Vorschrift oder Festsetzung in einem Bebauungsplan dient aber dem Schutz des Nachbarn.

Viele Vorschriften des Baurechts dienen (nur) dem Allgemeininteresse

Wird zum Beispiel eine Befreiung von einer Festsetzung des Bebauungsplans erteilt, welche nur dem Interesse der Allgemeinheit an einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung dient, mag diese Abweichung zwar tatsächlich rechtswidrig erteilt worden sein. Der Nachbar kann sich aber auf diese Verletzung nicht erfolgversprechend berufen.

Das Bauvorhaben muss auf den Nachbarn "Rücksicht" nehmen

Nachbarrechte werden in diesem Fall also nicht schon dann verletzt, wenn die Befreiung aus irgendeinem Grund rechtswidrig ist, sondern nur, wenn der Nachbar durch das Vorhaben infolge der zu Unrecht erteilten Befreiung unzumutbar beeinträchtigt wird und deshalb auf seine Interessen Rücksicht zu nehmen ist (sog.„Rücksichtnahmegebot“).

Der häufigste Fall der Verletzung des Rücksichtnahmegebots ist die sog. „erdrückende oder abriegelnde Wirkung“ des genehmigten Bauvorhabens. Die Bewertung einer solchen Wirkung ist naturgemäß immer eine Frage des konkreten Einzelfalls. Hauptkriterien bei der Beurteilung einer erdrückenden oder abriegelnden Wirkung sind üblicherweise die Höhe des Bauvorhabens und seine Länge sowie die Distanz der baulichen Anlage in Relation zur Nachbarbebauung.

Der VGH Bayern hat in seinem Beschluss vom 05.09.2016, Az. 1 CS 16.1536, festgestellt, dass in dem Fall, in welchem „der genehmigte Baukörper schon nicht erheblich höher als die Nachbarbebauung ist und die Abstandsflächenvorschriften eingehalten werden, für die Annahme einer erdrückenden Wirkung in der Regel kein Raum mehr bleibt. Verringerungen des Lichteinfalls bzw. ein Verschattungseffekt als typische Folgen der Bebauung insbesondere in innergemeindlichen bzw. innerstädtischen Lagen seien dabei bis zu einer im Einzelfall zu bestimmenden Unzumutbarkeitsgrenze hinzunehmen.“

Änliches gilt für die Einschränkung der Aussicht. Die Aufrechterhaltung einer ungeschmälerten Aussicht stellt lediglich eine Chance dar, die aber - bis auf wenige Ausnahmefälle - nicht dem Schutz durch das Gebot der Rücksichtnahme unterliegt.

Wird aber z.B. eine Befreiung von der Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften erteilt, kann die Bewertung wieder gänzlich anders ausfallen, wenngleich auch hier nicht jede Verletzung der Abstandsflächenvorschriften zur Unzumutbarkeit führt (BayVGH 13.03.2014, Az.15 ZB 13.1017).

(eingestellt am 21.10.2016)

Hinweis: Die Veröffentlichung bezieht sich auf die Rechtslage zum jeweils angegebenen Veröffentlichungsdatum und ersetzt keine Rechtsberatung.

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